Vom Monopol zum bunten Bahnland

Blick runter vom Weinberg zur vorbeifahrenden Bahn

Der Regional- und S-Bahn-Verkehr in Bayern finanziert sich rund zur Hälfte durch staatliche Zuwendungen. Diese Steuergelder müssen bestmöglich zum Vorteil der Fahrgäste investiert werden. Genau dieses Ziel verfolgt die Bayerische Eisenbahngesellschaft, die 1996 ihre Arbeit aufnahm. Was hat die BEG seitdem erreicht?

Die Bahnreform 1994 war ein Paukenschlag für den Bahnverkehr in Deutschland. Die meisten verbinden damit die Umwandlung der Behörde Bundesbahn in das privatwirtschaftliche Unternehmen Deutsche Bahn AG. Doch mindestens so folgenreich war ein weiterer Aspekt der Bahnreform: Seit 1996 liegt der öffentlich bezuschusste Regional- und S-Bahn-Verkehr nicht mehr beim Bund, sondern in der Verantwortung der Länder. Die Gelder stellt allerdings weiterhin der Bund zur Verfügung – die sogenannten Regionalisierungsmittel – und leitet sie zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) an die Länder weiter.

Effizient durch staatlich gelenkten Wettbewerb

Während viele andere Länder die Verantwortung für den SPNV an regionale Zweckverbände und Verkehrsverbünde weiterdelegierten, ging die Bayerische Staatsregierung einen anderen Weg: Sie legte den SPNV in ganz Bayern in die Hände einer eigens geschaffenen Institution: Am 1. Januar 1996 nahm die Bayerische Eisenbahngesellschaft ihren Betrieb auf. Um die Steuergelder möglichst effizient zu verwenden, setzte der Freistaat von Beginn an besonders konsequent auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Diesen Wettbewerb bestmöglich zum Vorteil der Fahrgäste zu organisieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben der BEG. Dazu legt die BEG fest, auf welchen Strecken wie viele Züge in welchem Takt unterwegs sein sollen – und in welcher Qualität. Diese Leistungen schreibt die BEG für einzelne Strecken und Streckennetze aus und vergibt sie an dasjenige Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot – dem besten Angebot in Bezug auf Preis und Qualität.

Seit 1996 hat die BEG federführend 78 solcher Vergabeverfahren abgeschlossen (2021). Das ehemalige Monopol der Deutschen Bahn ist dadurch nach und nach einem vielfältigen Nebeneinander nationaler und internationaler Eisenbahnverkehrsunternehmen gewichen. Von den 2021 insgesamt 129 Millionen Zugkilometern pro Jahr im bayerischen SPNV werden 73 Prozent von der DB Regio und 27 Prozent von anderen Verkehrsunternehmen gefahren. 101 Millionen Zugkilometer werden dabei bereits im Wettbewerb erbracht. Bis 2023 soll der gesamte bayerische SPNV in Wettbewerbsverfahren vergeben sein.

Sehr viele Schienen, Weichen, Signale und zwei Züge bei Dämmerung in Bahnhofsumgebung

Staatliche Fördermittel stagnieren, Leistung und Qualität steigen deutlich

BRB Bahn von vorne in einer Schneelandschaft

Durch den Wettbewerb zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen werden die öffentlichen Gelder für den SPNV erheblich effizienter eingesetzt. Das lässt sich leicht an der Entwicklung des SPNV in Bayern ablesen: Von 1995 bis 2021 konnte die BEG das Angebot auf der Schiene um über die Hälfte ausweiten (+57 %). Die Nachfrage im bayerischen Regionalverkehr (inklusive S-Bahn Nürnberg) ist zwischen 1996 und 2019 um beachtliche 75 Prozent gestiegen, bei der S-Bahn München – auf bereits hohem Niveau – um 36 Prozent. Und all das, obwohl die Mittel für den eigentlichen Eisenbahnbetrieb im selben Zeitraum real stagnierten. Der Grund: Die Infrastrukturgebühren wuchsen deutlich schneller als die Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt.

Diese Ausweitung des Angebots war nur deshalb möglich, weil die Verkehrsunternehmen ihre Leistungen im Rahmen des Wettbewerbs günstiger anbieten als noch zu Zeiten des staatlichen Monopols vor 1996. Sie arbeiten effizienter, kalkulieren knapper, behalten die Kosten stärker im Blick, investieren mehr in Service und weniger in Verwaltungsstrukturen. Die so gewonnenen finanziellen Spielräume konnte die BEG für Leistungsverbesserungen nutzen, vor allem für Taktausweitungen und für niederflurige und klimatisierte Neufahrzeuge mit wesentlich mehr Komfort.

Mit Kontrollen und Nettoverträgen die Qualität verbessern

Damit sich die Servicequalität nicht nur im Vertragstext, sondern auch im realen Bahnbetrieb verbessert, setzt die BEG vor allem auf zwei Hebel: Zum einen auf regelmäßige Qualitätskontrollen, deren Ergebnisse sich direkt auf die Unternehmen auswirken – in Form von Bonus- oder Strafzahlungen. Und zum anderen auf Nettoverträge: Diese sehen vor, dass die Verkehrsunternehmen die Fahrgelderlöse zu 100 Prozent einbehalten. Dadurch bleiben die Unternehmen dem Fahrgast gegenüber voll verantwortlich und haben einen starken Anreiz, Qualität und Kundenorientierung zu verbessern.

Eine fröhliche Mutter mit einem lachenden Kind laufen entlang eines Bahnsteigs und im Hintergrund ist ein grün/gelber Zug

Aus Fehlern Anderer gelernt

Blick von oben auf einen blauen Alex Zug und eine gelbe Bahn am Bahnhof

Dass Wettbewerb auf der Schiene auch schiefgehen kann, das zeigt das Beispiel der Bahnprivatisierung in Großbritannien. Die Regierung Margaret Thatcher setzte ganz auf die ungezügelten Kräfte des freien Markts. Das Ergebnis waren chaotische Verhältnisse und miserable Qualität. Daraus wurden bei der Bahnreform in Deutschland und bei der konkreten Umsetzung in Bayern Konsequenzen gezogen. Der Wettbewerb zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen wird zwar genutzt, um das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten. Aber eine zentrale Organisation, die BEG, legt die Spielregeln für den Wettbewerb fest und verknüpft den Betrieb auf den einzelnen Strecken zu einem stimmigen Ganzen.

Viel Arbeit ist bei der BEG beispielsweise in die Entwicklung eines Integralen Taktfahrplans geflossen, der an den entscheidenden Knotenbahnhöfen für optimal abgestimmte Umsteigemöglichkeiten sorgt. Bayern war auch das erste Bundesland, das einen landesweiten Fahrschein für den SPNV eingeführt hat: Das Bayern-Ticket ist mit 78 Millionen (2021) verkauften Fahrkarten das erfolgreichste Länderticket in Deutschland.

Bayern-Takt

Fast in ganz Bayern, auch im ländlichen Raum, steht den Fahrgästen von frühmorgens bis spätabends ein Stundentakt zur Verfügung. Darüber hinaus bietet der Bayern-Takt sogenannte Anschlussknoten. An diesen Knotenbahnhöfen treffen die Bahnen immer etwa gleichzeitig ein. So erhalten Fahrgäste optimale Umsteigemöglichkeiten ohne lange Wartezeiten. Dieses System des Integralen Taktfahrplans stellt eine große planerische Herausforderung dar, und die BEG arbeitet fortlaufend daran, den Bayern-Takt zu verbessern. Sie stellt die Weichen dafür, indem sie die Anforderungen an Fahrzeuge und Infrastruktur immer im Hinblick auf das Fernziel formuliert. So entsteht nach und nach aus einzelnen kleinen Puzzlestücken ein Gesamtsystem mit optimalen Verbindungen in ganz Bayern.

Neue Rahmenbedingungen, bewährte Stoßrichtung

Die Mischung aus unternehmerischem Wettbewerb und staatlicher Steuerung hat sich seit 1996 bewährt. Das Bahnland Bayern gilt heute als Erfolgsmodell: Der Wettbewerb hat den Fahrgästen ein umfangreicheres und qualitativ besseres Angebot gebracht. Und er stellt sicher, dass ein attraktiver SPNV weiterhin bezahlbar bleibt.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen im bayerischen SPNV: Die Infrastruktur beschränkt vielerorts die Möglichkeiten, das Angebot weiter auszubauen. Aufgrund des exorbitanten Anstiegs der Infrastrukturkosten bleibt faktisch immer weniger Geld zur Finanzierung des eigentlichen Angebots übrig. Die wachsende Zahl von Wettbewerbsvergaben in ganz Deutschland führt dazu, dass es zunehmend schwieriger wird, überhaupt Unternehmen zur Teilnahme an einer Ausschreibung zu begeistern. Und die großen Effizienzgewinne nach der erstmaligen Ausschreibung lassen sich nicht wiederholen, wenn eine Strecke oder ein Streckennetz nach Ablauf der Vertragsfrist ein zweites Mal ausgeschrieben wird.

Vor diesem Hintergrund wird der Ausbau des Angebots im Regional- und S-Bahn-Verkehr in Zukunft nicht mehr im bisherigen Umfang möglich sein. Die BEG ruht sich nicht auf dem Erreichten der vergangenen gut 25 Jahre aus, sondern passt sich an die neuen Rahmenbedingungen an. Das Ziel wird weiter bleiben, aus den staatlichen Mitteln für den SPNV das bestmögliche Angebot für die Fahrgäste herauszuholen – auch wenn das in Zukunft häufiger bedeuten wird, das bereits erreichte Niveau zu sichern.

Zwei Züge am Abend an einem beleuchteten Bahnsteig

Infrastruk­tur­ge­bühren: die Schienenmaut

Ohne die Effizienzgewinne durch den Wettbewerb hätte die BEG die Leistung nicht in der Form entwickeln können. Schuld daran sind die Infrastrukturgebühren, die über viele Jahre hinweg deutlich schneller gestiegen sind als die Regionalisierungsmittel. Dadurch bleibt faktisch immer weniger Geld zur Finanzierung des eigentlichen Angebots übrig. Vergleichbar mit einer Maut fallen die Nutzungsgebühren für jeden Kilometer Schiene an, auf der ein Zug unterwegs ist. Dasselbe gilt für jede Station, die angefahren wird. Diese Gebühren erheben die Infrastrukturbetreiber, allen voran DB Netz und DB Station&Service, um die Infrastruktur instand zu halten und soweit möglich dem Bedarf entsprechend auszubauen. Mittlerweile fließen über zwei Drittel der Mittel, die der BEG zur Verfügung stehen, in die Infrastruktur.

Die BEG:
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