Auch wir stehen im Wettbewerb

Ein Gespräch mit dem Sprecher der Geschäfts­führung der BEG, Dr. Johann Niggl, über die Heraus­for­de­rungen im Regional- und S-Bahn-Verkehr, die zukünftige Rolle der BEG und über attraktive Ausschrei­bungen.

Herr Dr. Niggl, die BEG will bis 2023 alle Strecken in Bayern im Wettbewerb vergeben haben. Ist die Hauptarbeit der BEG damit erledigt?

Dr. Johann Niggl: Das ist in der Tat ein ganz wichtiges Etappenziel für uns. Aber Arbeit haben wir auch danach noch genug – und zwar eher mehr als weniger. Wir müssen kontinu­ierlich weiter ausschreiben, denn die Verträge laufen ja irgendwann wieder aus. Es gibt einige Strecken, die wir bereits zum zweiten Mal im Wettbewerb vergeben haben. Teilweise konnten sich die alten Betreiber erneut durchsetzen, teilweise kamen andere Unternehmen zum Zug. Dass wir damit mehr Arbeit haben als nach unserer Gründung in den 90er-Jahren, ist logisch: Damals hat die BEG nur eine Handvoll Ausschrei­bungs­ver­fahren vorbereitet. Bis heute haben wir allerdings schon 36 Wettbe­werbs­projekte federführend abgeschlossen. Dafür brauchen wir auch entsprechend mehr Zeit – sowohl für die Ausschrei­bungen als auch für die Betreuung der laufenden Verträge – von der Qualitäts­messung bis zum Controlling.

» Unser Ziel ist es, die BEG zur ersten Wahl für Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmen zu machen. «

Und wie sieht Ihre Prognose zur weiteren Entwicklung des Regional- und S-Bahn-Verkehrs in Bayern aus?

Dr. Johann Niggl: Wir werden weiterhin daran arbeiten, die uns zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effizient einzusetzen und für Fahrgäste ein Maximum an Leistung heraus­zuholen. Aber ich muss die Erwartung etwas dämpfen, was die weitere Ausweitung der Verkehrs­leistung angeht. Die steile Wachstumskurve von knapp 50 Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten werden wir nicht aufrecht­er­halten können. Der Grund dafür ist einfach: Wir konnten ja nur deshalb mehr Leistung bei den Unternehmen bestellen, weil wir durch den Wettbewerb günstigere Angebote erhalten haben und das gesparte Geld in mehr Leistung und Qualität investieren konnten. Aber dieser Effekt lässt sich bei der zweiten Ausschreibung nicht mehr wiederholen – zumindest nicht in demselben Umfang. Die Unternehmen haben schon an ihrer Effizienz gefeilt, um sich mit einem wettbe­werbs­fähigen Angebot durchzu­setzen. Bei der zweiten Vergabe ist der Effizi­enz­spielraum nicht oder kaum mehr vorhanden.

Das heißt, die BEG macht so weiter wie bisher, kann das Bahnland Bayern aber künftig nicht mehr verbessern?

Dr. Johann Niggl: Im Rahmen der finanziellen Möglich­keiten werden wir das SPNV-Angebot in Bayern natürlich weiter verbessern. Durch den neuen Bund-Länder-Kompromiss zu den Regiona­li­sie­rungs­mitteln haben wir jetzt immerhin Planungs­si­cherheit und zumindest eine jährliche Steigerung der Mittel in Höhe von 1,8 Prozent. Solange die Infrastruk­tur­ge­bühren genauso schnell oder gar schneller steigen, können Sie sich vorstellen, dass wir dadurch trotzdem nicht viel Spielraum haben. Aber uns stehen auch noch andere Möglich­keiten zur Verfügung. Als Fachstelle mit SPNV-Experten­wissen können wir beispielsweise das Verkehrs­mi­nis­terium beraten und auch auf DB Netz einwirken, welche Infrastruk­tur­maß­nahmen in Bayern mit Priorität angegangen werden sollten. Denn Voraus­setzung für weitere Angebots­ver­bes­se­rungen ist häufig, dass Engpässe in der Schienen­in­fra­struktur beseitigt werden. Generell stehen vor allem qualitative Maßnahmen an, wie zum Beispiel Barrie­re­freiheit. Aber auch Kapazi­täts­er­wei­te­rungen bleiben ein Thema. Vor allem dort, wo die Fahrgast­zahlen steigen und wir an Kapazi­täts­engpässe stoßen, muss gehandelt werden. Wo die Nachfrage besteht, werden auch Strecken­re­ak­ti­vie­rungen ein Thema sein.

Muss sich die BEG angesichts der veränderten Rahmen­be­din­gungen nicht auch verändern?

Dr. Johann Niggl: Das tun wir! Wir schauen uns die Entwick­lungen im SPNV ganz genau an – hier in Bayern und darüber hinaus. Und da zeichnet sich in der Tat eine neue Heraus­for­derung ab: In den letzten Jahren beobachten wir, dass die durchschnittliche Zahl der Bieter pro Ausschreibung sinkt. Das liegt schlichtweg daran, dass es bundesweit immer mehr Vergaben im Wettbewerb gibt. Die Zahl der Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmen hat sich aber nicht im gleichen Umfang erhöht. Und da die Beteiligung an Ausschrei­bungen für die Unternehmen einen nicht unerheb­lichen Ressour­cen­aufwand bedeutet, werden sie wählerischer. Das heißt, sie beteiligen sich vornehmlich an Ausschrei­bungen, die aus ihrer Sicht lukrativ sind, zum Beispiel, weil sie bereits in der Nachbar­schaft ein Netz betreiben und so Synergie­effekte realisieren können oder weil die ausgeschriebene Strecke ein optimales Volumen bei kalkulierbaren Risiken hat.

Wenn sich weniger Bieter beteiligen, dann gibt es doch auch weniger Chancen auf preislich und qualitativ gute Angebote! Entzieht das der BEG nicht das Geschäfts­modell?

Dr. Johann Niggl: Nein, denn dieser Entwicklung schauen wir natürlich nicht tatenlos zu. Wir müssen Wege finden, wie wir unsere Ausschrei­bungen für Unternehmen möglichst attraktiv machen. Das ist tatsächlich eine ganz neue Perspektive: Einerseits bewerben sich die Unternehmen bei uns um Aufträge, gleich­zeitig bewerben aber auch wir uns bei den Unternehmen um Teilnahme an unseren Ausschrei­bungen. Unser Ziel ist es, die BEG zur ersten Wahl für Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmen zu machen – im Wettbewerb mit Aufgaben­trägern in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Und wie wollen Sie sich in diesem Wettbewerb mit den anderen Aufgaben­trägern durchsetzen?

Dr. Johann Niggl: Unsere Ausgangs­si­tuation ist von vornherein besser als die der meisten anderen Aufgaben­träger. Wir haben bereits sehr lange Erfahrung mit Vergabe­ver­fahren und konnten über die Jahre hinweg vertrau­ensvolle Beziehungen mit den wichtigsten Unternehmen aufbauen. Aber fast noch wichtiger ist unsere Größe: Es hat sich ausgezahlt, dass der Freistaat im Rahmen der Bahnreform entschieden hat, den gesamten bayerischen SPNV in die Hand einer einzigen Institution zu legen – der BEG. Wir können deshalb in den allermeisten Fällen autonom über die Vergaben entscheiden und müssen uns nur in den Grenzre­gionen mit anderen Aufgaben­trägern abstimmen. Das ist in den meisten Bundes­ländern nicht der Fall. So haben beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Nieder­sachsen entschieden, den SPNV in die Obhut mehrerer Verkehrsverbünde und Zweckverbände zu geben. Das bedeutet, dass praktisch bei allen Strecken mehrere Organi­sa­tionen mit ihren jeweils eigenen Vergabe­richt­linien und Vorstel­lungen berück­sichtigt werden müssen. Das verkom­pliziert die Arbeit nicht nur für die Aufgaben­träger selbst, sondern auch für die Teilnehmer an den Ausschrei­bungen. Die BEG kann dagegen das weitaus größte regionale Schienennetz in Deutschland mit 6.000 Kilometern in die Waagschale werfen und die allermeisten Netze eigenver­ant­wortlich vergeben.

» Die Kapital­dienst- und die Wieder­ein­satz­ga­rantie sind nur zwei unserer Antworten auf die Heraus­for­de­rungen der kommenden Jahre. «

Reicht Größe allein aus, um die BEG zur ersten Wahl der Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmen zu machen?

Dr. Johann Niggl: Unsere Größe hilft, aber allein darauf wollen wir uns natürlich nicht verlassen. Wir werden den Unternehmen in Zukunft stärker beim Risiko entgegen­kommen, besonders bei der Beschaffung der Fahrzeuge, die hohe Investi­tionen nötig machen. So haben wir beispielsweise eine Kapital­dienst­ga­rantie entwickelt. Das ist im Kern eine Bürgschaft des Freistaats Bayern gegen den Zahlungs­ausfall des Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmens: Es kann damit seine Verhand­lungs­po­sition bei Leasing­gebern und auch Fahrzeug­her­stellern deutlich stärken. Durch den faktischen Ausschluss des Zahlungs­ausfalls und die Garantie des Freistaats profitiert das Unternehmen von günstigen Zinskon­di­tionen. Dazu kommt noch das Instrument der Wieder­ein­satz­ga­rantie für Fahrzeuge. Dies erhöht die Planungs­si­cherheit für die Eisenbahn­ver­kehrs­un­ter­nehmen zusätzlich.

Bei der Vergabe des Netzes Ringzug West (Strecken München – Ingolstadt – Nürnberg und Nürnberg – Augsburg) im Jahr 2013 haben wir erstmals eine Kapital­dienst­ga­rantie angeboten. Die Rückmeldung der Unternehmen war sehr positiv. Wir haben es dadurch geschafft, den Trend der abnehmenden Bieter­zahlen umzukehren, der sich seit der Finanzkrise im Jahr 2008 immer mehr verschärft hat. Die Kapital­dienst- und die Wieder­ein­satz­ga­rantie sind nur zwei unserer Antworten auf die Heraus­for­de­rungen der kommenden Jahre. Die stärkere Verzahnung mit anderen Verkehrs­mitteln – ob Bus, Fahrrad oder Pkw – wird in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen. Dasselbe gilt für mehr Komfort, vom WLAN bis zu neuen Ansätzen bei der Fahrgast­in­for­mation. Sie sehen: Auch in den nächsten 20 Jahren haben wir alle Hände voll zu tun.

Dr. Johann Niggl
ist Sprecher der Geschäfts­führung der Bayerischen Eisenbahn­ge­sell­schaft. Er ist ein ausgewiesener Branchen­kenner. Von 1995 bis 2000 war er im Bayerischen Verkehrs­mi­nis­terium für Fragen des öffent­lichen Verkehrs auf Straße und Schiene zuständig. Im Verlauf seiner weiteren Karriere war er unter anderem fünf Jahre lang Vorstand der Regentalbahn AG. Zuletzt, bevor er 2013 zur BEG wechselte, zeichnete er im Bayerischen Wirtschafts­mi­nis­terium verant­wortlich für „Invest in Bavaria“.

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